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Unser Fahrrad-Zoo - Folge 2

Unser Fahrrad-Zoo - Folge 2 - Reparadius
Das Vintage-Bike (Bildquelle: Christoph Preussler, Stuttgart)

Lesezeit: ca. 8 min

Wichtiger Hinweis zum Aufmacherbild: Das Vintage-Bike. Hergestellt von Staiger, aus dem Jahr 1959. Sieht doll aus, stecken aber 40 Stunden Aufbereitungs-Arbeit drin, vom Polieren der Felgen, Einspeichen, Zerlegen der der Komponenten bis hin zur Wachskonservierung. Daher 1000 Euro.
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Frühlingserwachen! Das Leben kehrt zurück! Zeit, sich nach einem neuen zweirädrigen Begleiter umzusehen, da das treue alte Fahrrad jüngst verstarb: Requiescat in pace. Doch welcher Laie kennt sich unter den Bewohnern des Fahrrad-Zoos aus? Besteht nicht die Gefahr, ein halbwildes Zweirad-Tier zu erwerben, das sich dann als nicht domestizierbar herausstellt? Im zweiten Teil unserer beliebten Serie geben wir dem Unkundigen weitere wichtige Einblicke in die Fauna der Bicycletten.

Ein Tag im Leben des Vintage-Freaks: Mit Fahrrad und Dominique im Walde. Rad von Bianchi, mit Gestängebremse. Stilecht auch die Tennis-Kleidung. Aus dem Film „Die Gärten der Finzi-Contini“ (1970), sehenswert. (Bildquelle: CCC Filmkunst Brauner)

Das Vintage-Bike

Das Vintage-Bike ist der große Individualist. Es ist schon älter und glaubt daher stets, etwas besonderes zu sein. Es ist bloß so, dass die Kollegen aus seiner Generation schon verstorben sind, und es als eines der Wenigen übrig geblieben ist. Das Übrig-Bleiben finden immer auch die älteren, übrig gebliebenen Passanten schön und wollen das Bike streicheln.

Wer sich den Luxus eine solchen Bikes gönnen will, braucht einen guten Fahrrad-Chirurgen in fussläufiger Entfernung, da vieles an solchen Räder steinzeitlich ist und es auch nirgendwo mehr Teile gibt. Da jedoch die ältere Technik meist einfach ist und seinerzeit nicht auf künstlichen Verschleiß hin gearbeitet wurde, sind Vintage-Bikes wider Erwarten ziemlich zuverlässig, wenn sie in der Vergangenheit gepflegt und gut genährt wurden.

Wer einem alten Rad das Gnadenbrot reichen will, muss aufpassen. Leider werden Vintage-Räder in dunklen Garagen und feuchten Schuppen nicht artgerecht gehalten, und dann zu Liebhaberpreisen auf den Markt geworfen. Diese Räder sind fast immer ausgehungert, krank und ohne ärztlichen Beistand einem baldigen Tod geweiht. Sachkundige Händler machen das anders und päppeln die Fossilien liebevoll auf. Am Ende gibts hier noch eine Garantie drauf.

Ein Gravel-Bike. Von der Firma Sciu Bikes, dazu Taschen von Ortlieb. Da passt ganz schön Schotter rein (Gravel = Schotter). Ähnliche Bikes von Sciu kosten ca. 4000 Euro, die Bags 400 Euro. (Bildquelle: Ortlieb, Heilsbronn und www.sciubikes.com / Hamburg)

Das Gravel-Bike

Das Gravel-Bike ist ein seltsames Tier. So etwas wie eine Gazelle mit Elefantenbeinen. Oder ein 100-Meter-Läufer mit Knobelbechern. Schon auf den ersten Blick ein sehr artifizielles Elaborat aus den Reagenzgläsern der Fahrradindustrie. Schaut man auf Leo nach, so sagt der Löwe, dass Gravel „Schotter“ oder „Kies“ heißt. Kann man damit also Schotter transportieren? Im Prinzip ja, aber nur einen einzelnen Stein.

Zunächst einmal hat es einen Lenker vorne dran wie ein Rennrad. Es will uns also zeigen, dass es unbändig ist und ein Schnellfahrer. Was so eigentlich so nicht stimmt. Denn schaut man nach unten, so sieht man keine feingliedrigen dünnen Rennfelgen, sondern dicke Geländewalzen.

Gravel-Bikes kommen ursprünglich aus der Bauindustrie und wurden zuerst zur Verdichtung von Schotter-Untergründen beim Bau von Autobahnen gebraucht. Etwas, das früher von Dampfwalzen erledigt wurde. Heute kommt hier ein Peloton von ca. 200 Gravel-Bike-Fahrern zum Einsatz, alles Ein-Euro-Jobber. Die fahren eine Stunde hin- und her, dann kann geteert werden. Dazwischen liegt eine kurze Pause, in der isotonische Getränke gereicht werden.

Wer sollte ein Gravel-Bike halten? Fahrer, die Angst vor Randsteinen haben. Und solche, die schneller auf unebenem Gelände unterwegs sein wollen. Nicht zuletzt auch Fahrer, die keine Angst haben, für die dicken Beine bzw. Reifen dieses Tiers ausgelacht zu werden.

Das Carbon-Bike. Das hier ist Top-of-the-pops, nämlich von Colnago, Modell C68. Für ca. 16.500 Euro. Finanzierbar mit Sondervermögen. Gibts z.B. bei Neckar-Bike in der Nähe von Stuttgart. (Bildquelle: Neckar-Bike, Freiberg am Neckar)

Das Carbon-Bike

Das Carbon-Bike ist die allerneueste Schöpfung der Industrie. Unter dem Elektronen-Mikroskop wurden in langer Tag-und-Nachtarbeit DNA-Teile zusammengepuzzelt, um die gewünschten Eigenschaften zu erhalten. Das Resultat ist ein hochgezüchtetes Tier für den flotten Fahrrad-Galopp.

Diese Galopper haben sehr dünne Knochen. Und ihr Herz schlägt doppelt so schnell, wie das eines normalen Rades. Sie haben sehr, sehr viele Gänge und Einzelteile, von denen nicht mal der Verkäufer weiss, aus welchem Material die gearbeitet sind. Das ist alles etwas für Profis, die idealerweise von einem Groß-Industriellen mit dicker Zigarre gesponsort werden. Das ist wichtig, weil der Profi dann ein neues Rad kriegt, wenn das alte wg. Herzinfarkt zusammen gebrochen ist.

Wer wird solchen Geschöpfen ein Zuhause geben? Primär Sports-Kanonen mit dicker Brieftasche. Die können dann wirklich Spass haben mit einem derart leichten Bike. Zugegeben: Ein Schnell-Fahr-Ritt darauf ist die reine Freude. Das rennt wie die Sau. So richtig nachhaltig ist Carbon allerdings nicht. Man kann es nur nachhaltig wegschmeissen, wenn es kaputt ist. Aber das hat Luxus oft an sich.


Bildunterschrift: Wer kein Tandem kaufen will, kann es wie Laurel und Hardy probieren. Spart mächtig Geld, man kommt aber nicht weit. (Bildquelle: Duck Soup, Hal Roach, 1927)

Das Tandem

Wenn zwei zusammen radeln wollen, kann sich einer auf den Lenker setzen. Oder auf die Querstange. Sieht man gerne bei Vittorio de Sica und Slapstick-Stummfilmen. Wer das unbequem findet, sollte ein Tandem kaufen. Fahrräder für mehrere Personen werden so benannt: Tandem (2), Tridem (3), Quadruplet (4). Tandems sind die Walfische unter den Rädern. Man braucht ein grosses Aquarium, um sie zu beheimaten. Erschwerend kommt hinzu, dass man sie eher selten fährt, weil nicht so oft Sonntag ist. Es gibt Renn-Tandems, Reise-Tandems, Klapprad-Tandems und Spass-Tandems.

Das Tandem, Modell Pittsburgh. Von DEM Tandemhersteller Schauff. Hätte der Autor nicht schon 10 Tandems, würde er ein Schauff Tandem kaufen. Hier kann man gut sehen, wie das aussieht, zwei Sitze, zwei Räder und so lang, dass es immer im Weg steht. (Bildquelle: Schauff, Remagen)

Richtige Tandems haben vier Bremsen. Zwei normale und zwei Schlepp-Bremsen. Zwei zusätzliche sind nötig, weil sonst bei Bergab-Fahrten die Bremsen schlapp machen. Und das ist gefährlich. Tandems, die das nicht haben, sind Spass-Tandems, die keiner braucht. Tandem-Fahren ist toll, aber nur für den Captain: Das ist der, der vorne sitzt. Er darf lenken und bremsen. Der Stoker, das ist der oder die, der oder die hinten sitzt, darf nur treten und hat nichts zu melden.

Tandems werden in der Regel gekauft, um eine brüchige Zweier-Beziehung zu kitten. Das funktioniert aus vorgenannten Gründen nur in SM-Beziehungen: S sitzt vorn, M sitzt hinten. Alle anderen Leute fahren dreimal mit dem Tandem und stellen es dann in die Garage. Daher sind die meisten Tandems ziemlich einsam und stauben vor sich hin.

War`s das jetzt? Nein. Um dem enzyklopädischem Anspruch unserer Leserschaft zu genügen,  finden Sie in der nächsten Folge unserer beliebten Serie „Unser Fahrrad-Zoo“ weitere Klassifizierungen von Geschöpfen mit zwei Rädern sowie die Spezifizierung ihrer Verhaltens. Seien Sie gespannt. (Christoph Preussler)

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